Ich sah sie neulich Mittag schon.
Sie winkte von der nördlichen Seite der Straße
und wandte den Blick nicht von mir ab.
Ich saß in einem lauten Café,
mit anderen – und ignorierte sie.
Meine Sorge ertrank ich in seichten Gesprächen,
spürte trotzdem den Schauder im Nacken.
Abends lag ich im Bett,
zog die schwarze Decke bis an das Kinn heran,
begehrte den Glanz des Mondes,
sehnte den Schlaf herbei.
Spürte den Taumel –
nach etwas. Jemandem. Allem. Nichts.
Da hörte ich sie klopfen.
Rührte mich nicht –
hoffte, sie zöge weiter.
Sie kroch durch einen Fensterspalt
und brachte die Kälte herein,
wollte mich küssen.
Meine Lippen zitterten.
Da legte sie sich schwer auf meine Brust,
umfasste meinen Hals mit ihren dürren Fingern
und schnürte mir die Luft ab.
Ich bat sie weinend,
mich zu schonen.
Sie lachte spöttisch
und gaffte höhnisch.
Dann ließ sie ab, setzte sich neben mich,
las mir ein Märchen vor –
und ich ahnte den Schmerz der Schneekönigin.
Sie blätterte die letzte Seite um.
„Du gehörst hier nicht her“,
sagte sie und ergriff meine Hand,
zog mich zu sich und tanzte mit mir,
während sie Linkin-Park-Lieder sang.
Hässlich war sie, doch ihre Stimme – schön.
Sie gab mir ein Geschenk – halbherzig.
Gierig öffnete ich es wie im Rausch.
Doch heraus floss eine große Leere,
benetzte meine Haut.
Hilflos und beschämt
ließ ich sie gewähren,
wartete stundenlang –
die Nacht hindurch, bis der Tag anbrach.
„Du langweilst mich“,
gähnte sie plötzlich
und stapfte blindlings durch die Räume,
hinterließ kleine Verwüstungen.
Der Wind draußen flüsterte freundlich.
Murrend sprang sie zur Tür hinaus.
Ihr Echo hallte eine Weile nach,
verblasste allmählich –
bis es verschwand.
Ich atmete auf, vorsichtig,
und hoffte,
sie käme lange Zeit nicht wieder –
mein ungebetener Gast:
die Einsamkeit.
Titelbild: Moritz Karst auf Unsplash.