In liebevoller Erinnerung an meinen Onkel (1966-2024)
Erst dachte ich, der Tod schleicht hier betrunken durch die Gänge –
doch alles wirkt so ruhig und sonderbar gemütlich.
An deiner gelben Wand hängt eine Weltkarte mit bunten Fähnchen.
Du sagst, Peru war ganz besonders schön – und wenn du vom Verreisen sprichst, dann denkst du nicht ans Sterben.
Du bist unendlich dünn geworden, willst dich auch nicht mehr wiegen.
Ich sitze ganz nah neben dir und weiß nicht, was ich sagen soll.
Ich würde dich gern fragen, ob du Angst hast –
doch frage nicht.
Denn weißt du: Ich habe zu viel Angst davor.
An Silvester hat niemand ein gesundes neues Jahr gewünscht –
nur die Bescheuerten im Fernsehen.
Du lachst verstohlen, und ich hör dir zu.
Was soll man groß sagen,
wenn so ein Körper vollkommen abgefuckt ist
und einen auf jede erdenkliche Art hängen lässt?
Dafür gibt’s keinen Kalenderspruch to go.
Nein – niemand hier weiß, was er fühlen soll,
und doch irren all diese Gefühle durch den Raum.
„Ja, sag mal – und die Liebe?“, fragst du mich.
„Puh… Liebelein gab’s viele“, antworte ich,
„doch glamourös waren die alle nicht.“
Und unser Kicher-Chor huscht schelmisch durch das Zimmer,
fast wie ein einst Verbündeter.
Mag sein, in klassischer l’amour hattest du nicht viel Glück –
aber sei dir sicher:
Du wirst von uns geliebt.
Für all das gibt’s keinen Kalenderspruch to go.
Vielleicht ja doch – ich weiß es nicht,
korrigier ich mich vorsichtig.
Vielleicht für die, die bleiben.
Doch nicht für die, die sterben.
Und so weiß ich bis heute
mehr schlecht als recht,
was ich sagen soll.
Titelbild: delfi de la Rua auf Unsplash.